Die ikonischen Gebäude des mexikanischen Architekten Luis Barragán sind Inbe-
griff der mexikanischen Moderne. Wesentlichen Anteil daran hatte die Fotografie.
Luis Barragán wusste, dass sie für die Rezeption seiner Architektur ein zentrales
Mittel darstellt. Die Kooperation mit dem Fotografen Armando Salas Portugal
prägte das Bild seiner Architektur entscheidend. Daraus entsteht aber auch eine
verführerische Illusion: Wir meinen die Architektur zu kennen. Nina Kirste hat
sich von der erdrückenden Präsenz bekannter Fotos nicht beeindrucken lassen
und sich auf den Weg gemacht, Barragáns Architektur neu zu entdecken und
dabei einen eigenen Zugang zu Barragán gefunden. Dabei konzentriert Kirste sich
darauf, in stillen Kompositionen der Architektur zu neuer Präsenz zu verhelfen,
die sie in einer alltäglichen Beiläufigkeit ihrer vermeintlichen Zeitlosigkeit ent-
hebt und den Augenblick als vergängliches Momentum einfängt. Treffend hat sie
dem Buch, das aus dieser Arbeit entstand, ein Zitat von Stan Nadolny vorange-
stellt: „Es ist vielleicht wirklich das, was ich sehe, und das Kennenlernen würde
die Wahrheit nur verwischen. Das Kennen verträgt sich mit dem Sehen wenig.
Manchmal ist es sogar eine schlechtere Methode zur Feststellung dessen, was ist.
Kann man das Kennen überhaupt weglassen und nur noch sehen, wie ein Film?“
Aus Marlowes, 27. Januar 2025